Entlang des Niederrheins sind Verbände und Bürger*innen aktiv geworden. Es haben sich parteiübergreifend Initiativen gegründet, die den Kiesabbau in der bisherigen Form nicht mehr dulden werden. Die Region am Niederrhein befürchtet, zunehmend in einen „Schweizer Käse“ aus großflächigen Kiesgruben verwandelt zu werden.
Die schwarz-grüne Landesregierung NRW ist zwar angetreten, perspektivisch aus dem Kiesabbau in besonders belasteten Gebieten auszusteigen, eine Rohstoffabgabe einzuführen und umweltfreundliche Alternativen zu generieren. Doch die entsprechenden Änderungen des Landesentwicklungsplans (LEP) lassen auf sich warten. Gleichzeitig forciert der Regionalverband Ruhr (RVR) mit der Änderung des Regionalplans Ruhr die Ausweisung neuer Flächen für den Kies- und Sandabbau - allein mehr als 800 Hektar zusätzliche potenzielle Kiesabbauflächen im Kreis Wesel. Ein Widerspruch.
Auf Einladung des Aktionsbündnis Niederrheinappell sowie von BUND und Nabu stellte sich Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur Ende März 2023 der geballten Kritik von etwa 200 Bürger*innen im Rahmen einer Podiumsdiskussion in Kamp-Lintfort.
Die Proteste sind laut und gehen durch alle Parteien
Das Fazit von BUND-Landesgeschäftsführer Dirk Jansen fällt ernüchternd aus: „Leider hat Ministerin Neubaur die Chance nicht genutzt, der vom Kies- und Sandraubbau betroffenen Region eine klare Zukunftsperspektive auzuzeigen. Der RVR will mit dem neuen Regionalplan zugunsten der Abgrabungsindustrie unumkehrbare Fakten schaffen, ehe die neuen und restriktiveren Vorgaben der Landesplanung frühestens 2025 greifen. Dass die Landesregierung offenbar nicht ihre rechtlichen Möglichkeiten nutzen will, einen sachlichen Teilplan zur Gewinnung oberflächennaher Bodenschätze auszukoppeln bis der neue LEP in seinen Grundzügen steht, ist unverständlich. So wird eine Möglichkeit vertan, den Niederrhein zu befrieden.“
Bei der für den 1. Januar 2024 geplanten Einführung der Rohstoffabgabe kann die Landesregierung hingegen auf die Unterstützung des BUND zählen. Eine solche Umweltlenkungsabgabe könne dazu beitragen, ressourcenschonende Alternativen in den Markt zu bringen und das zirkuläre Wirtschaften zu stärken. Insbesondere das Baustoffrecycling muss deutlich ausgebaut werden. Dass die Abgrabungsindustrie gegen die Abgabe Sturm läuft, darf deren Einführung nicht verhindern.
„Was aber weiterhin fehlt, ist eine konsistente Rohstoffstrategie für NRW“
Der galoppierende Flächenfraß, die massiven Eingriffe in den Grundwasserhaushalt und die übermäßige Belastung der Kommunen am Niederrhein erfordern ein verbindliches Ausstiegsszenario aus der Kies- und Sandgewinnung. „Die ganze Region leidet unter dem bisherigen Raubbau an unseren natürlichen Ressourcen. Für die nächsten 20 Jahre sind schon Abgrabungsflächen gesichert, danach muss perspektivisch Schluss damit sein“, sagt Dirk Jansen. „Die Landesregierung muss endlich eine Rohstoffstrategie aufstellen, die den Ressourcenverbrauch stoppt und das Baustoffrecycling sowie den Einsatz alternativer Baustoffe priorisiert. Allein schon im Sinne der Generationengerechtigkeit darf es nicht beim Weiter-so-wie-bisher bleiben. Letztendlich führt nichts an einer Politik vorbei, die erst gar keinen Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen generiert. Das heißt: Wir brauchen eine Wohnungsbauwende, die weitgehend auf Neubau verzichtet und einen Stopp des Straßenbaus.“